Bereits zum zweiten Mal bekamen die Windsbacher Besuch aus der Ukraine: Mitten aus dem Kriegsgebiet kommend reisten der Mächenchor Vognyk und der Knabenchor Dzvinochok nach Franken, wo gemeinsame Auftritte auf dem Programm standen.
Da der Krisenherd im Nahen Osten tagtäglich mit neuen Horrormeldungen die Nachrichten beherrscht, drohen der Angriffskrieg auf die Ukraine und das Leid unserer europäischen Nachbarn etwas aus dem Blick zu geraten. Ohnehin ist es für uns, die wir im Frieden leben dürfen, ohnehin schwer vorstellbar, wie es den Menschen dort geht. Begegnet man jedoch Ukrainerinnen oder Ukrainern und kommt mit ihnen ins Gespräch, kann man sich viel eher ein Bild von der Lage dort machen.
Eine solche Gelegenheit bekamen jetzt die Jungs in Windsbach, denn sie erhielten zum wiederholten Male Besuch von „Kolleginnen und Kollegen“ aus der Ukraine. In Kiew, der Partnerstadt von Leipzig (wo Chorleiter Ludwig Böhme geboren wurde und im Thomanerchor sang), gibt es den Mädchenchor Vognik (zu Deutsch kleiner Vogel) und den Knabenchor Dzvinochok (kleine Glocke). Letzterer wurde 1967 gegründet; hier musizierten bis zu Kriegsbeginn rund 150 Sänger zwischen fünf und 45 Jahren. Der Mädchenchor existiert seit 1970. Geleitet werden Vognyk von Olena Soloveg Dzvinochok von Ruben Tolmachiov, die die Chöre nach Deutschland begleiteten.
16 Jungs und 29 Mädchen waren in Windsbach zu Gast. Und just am Tag der Abreise gab es in Kiew wieder einen Bombenalarm. Wie ihre Mitbürger auch erfahren die jungen Sängerinnen und Sänger davon in der Regel durch einen langgezogenen Sirenenton einer Handy-App. Als eine Begleiterin dies im Chorsaal vorführte, bekamen nicht nur die Windsbacher Knaben eine Gänsehaut. In Kiew suchen die Choristen dann einen Bunker in ihrem Chorzentrum auf, wo die Probenarbeit fortgesetzt wird. Moderiert von Andreas Fulda erfuhren die Choristen, wie sich der Krieg auf den Alltag der Mädchen von Vognyk und Jungs von Dzvinochok auswirkt.
Als gemeinsame Sprache diente zur Kommunikation vor allem die Musik, aber auch gemeinsame Abende. Das Windsbacher Motto „Mehr als Musik“ wurde auch bei der Unterbringung der Gäste aus Kiew umgesetzt, die bei Gastfamilien vor Ort nächtigten, was Herbert Pfister, Vorstandmitglied der Fördergesellschaft, organisiert hatte. Über dieses Zeichen deutsch-ukrainischer Verbundenheit freuten sich die Sängerinnen und Sänger ebenso wie über die Möglichkeit, gemeinsam zu musizieren. Das taten alle drei Chöre in der Windsbacher Chorandacht, in der Friedensandacht in der Nürnberger St. Lorenz-Kirche sowie in der anschließenden Lorenzer Motette. Nicht nur das Publikum, auch die Windsbacher Sänger lernten hier den ganz eigenen Ton der slawischen Chormusik kennen.
Gemeinsames Musizieren auf der einen Seite – das Wissen um die beklemmende Situation auf der anderen: Als die Windsbacher ihre Gäste nach drei Tage wieder verabschiedeten, war allen bewusst, dass diese wieder in den Krieg zurückreisen. Umso mehr freuen sich beide Seiten auf eine mögliche Wiederholung des Besuchs aus der Ukraine, wenn die Situation dort solche Reisen zulässt.