Die Resonanz auf die Nachricht, in Windsbach solle sich mit dem Schuljahr 2025/2026 auch ein Mädchenchor etablieren, war groß – und positiv. Über das Projekt sprachen wir mit dem Künstlerischen Leiter Ludwig Böhme.
Herr Böhme, wieso soll es in Windsbach bald auch einen Mädchenchor geben?
Weil wir überzeugt davon sind, dass die musikalische Ausbildung und Talentförderung, die wir mit den Jungs in diesem Knabenchor machen, etwas Wichtiges und Gutes sind. Und weil wir in Windsbach den Anspruch und die Vision im 21. Jahrhundert haben, allen Kindern eine so gute Ausbildung anbieten zu können. Bei den Jungs läuft das gut – warum soll das bei den Mädchen nicht auch funktionieren? Wir haben einen wunderbaren weitläufigen, schönen Campus und damit die räumlichen Möglichkeiten.
Was hat Windsbach von einem Mädchenchor?
Wir wollen und werden den Knabenchor ja so fortführen, wie wir es gewohnt sind und womit wir ja auch sehr erfolgreich sind. Wir ergänzen ihn und bekommen dadurch zusätzlich auch Synergien. Für uns als Windsbacher Campus ist es natürlich auch eine gute Perspektive, wenn wir mit einem zusätzlichen Klangkörper in der Szene vertreten sind. Hinter allem steht aber wirklich eine Haltung: dass Mädchen die gleiche Chance bekommen sollten, eine so hochwertige Ausbildung zu bekommen. Das wollen wir und das ist letztendlich auch der Antrieb.
Wie sehen denn Resonanz und Interesse bislang aus?
Die Resonanz ist äußerst positiv. Wir wünschen euch alles Gute und ich hätte meine Mädchen gerne zu euch gegeben, wenn es das früher schon gegeben hätte – solches Feedback bekommen wir von Eltern. Auch in der Kulturberichterstattung es als zeitgemäßes, wichtiges und gutes Signal aufgefasst worden. Es gibt nur sehr vereinzelt kritische Stimmen.
Woher kommen die denn?
Einige sehr wenige sehen es als „Einzigartigkeit“, dass auf unserem Campus nur Jungs zusammenleben und sehen die Perspektive, den Campus für Mädchen zu öffnen kritisch, weil dies die Gemeinschaft der Jungs beeinflusst. Begeistert bin ich, wie gut unsere aktiven Chorsänger die Mädchenpläne aufnehmen. Natürlich sind einige etwas verunsichert, was sich für sie ändern wird. Aber alle begegnen den Plänen mit großer Offenheit und sind positiv gespannt!
Wie sieht denn das Interesse der Mädchen bislang aus?
Auf die Bekanntgabe Ende November folgte eine äußerst positive Öffentlichkeitsresonanz im Dezember und erste Anrufe gingen ein. Wir hatten am selben Tag der Pressekonferenz unsere erste „Klangfängerin“ in einer der gleichnamigen Nachwuchsgruppen. Und vor allem im Januar gab es deutlich verstärkt Anfragen für Eignungsvorsingen. In vielen unserer Klangfänger-Gruppen singen jetzt Mädchen.
Ludwig Böhme freut sich auf die Zusammenarbeit mit Claudia Jennings.
Mit wem wird die Position nun besetzt?
Die Leiterin des Windsbacher Mädchenchors wird Claudia Jennings aus Berlin, die derzeit an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle/Saale Dirigieren unterrichtet sowie Leiterin der Chorschule Leo Borchard sowie des Landesjugendchores Brandenburg ist. Das Interesse an dieser Stelle war übrigens groß, es gab 20 sehr spannende Bewerbungen. Wir hatten also eine wirklich sehr interessante Auswahl, was die Entscheidung nicht leicht machte. Vier Persönlichkeiten haben wir eingeladen, um mit den Jungs zu proben und sich einem Bewerbungsgespräch zu stellen. Unsere Wahl fiel auf Claudia Jennings und ich und wir alle in Windsbach freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit.
Ein neuer Chor kostet Geld und davon hat eine Einrichtung wie der Windsbacher Knabenchor ja chronisch zu wenig. Wie wird das Projekt Mädchenchor finanziert?
Das Projekt Mädchenchor hat dazu geführt, dass wir eine Aufstockung unserer Zuschüsse der Evangelischen Landeskirche Bayern erhalten, weil die absolut hinter diesem Konzept steht. Natürlich kostet die Gründung des Mädchenchors etwas Geld, aber verglichen mit unserem Gesamthaushalt sehr wenig. Und wenn im Internat mehr Kinder leben, senkt das ja die Fixkosten pro Kind. Die Synergien überwiegen bei Weitem. Wir haben natürlich gerechnet und verschiedene Szenarien erstellt. Das haben wir mit der Evangelischen Landeskirche abgestimmt. Eine Finanzierungsgarantie für alle Ewigkeit gibt es allerdings nie …
Auch die Kirche klagt ja über sinkende Einnahmen …
… und überlegt daher sicher doppelt, wie sie Gelder verteilt. Die Finanzprobleme der Kirche sind ja bekannt. Aber es ist doch durchaus ein Bekenntnis der Landeskirche gerade in Zeiten knapper Kassen, dass sie jetzt und hier sagt: An dieses Projekt glauben wir so, dass wir da eben auch Geld investieren. Die gesellschaftliche Relevanz unserer Einrichtung ist ja viel größer, wenn es ein Angebot für alle Kinder gibt. Und das kommt letztendlich auch der Landeskirche zugute.
Als das Projekt Mädchenchor angekündigt wurde, war von einem neuen inhaltlichen musikalischen und pädagogischen Kapitel in Windsbach die Rede. Wie sieht das im Einzelnen aus?
Dass ein Mädchenchor ein ganz anderes künstlerisches Profil hat als ein Knabenchor, liegt natürlich an der Besetzung, weil hier nur die hohen Stimmen, also Sopran und Alt singen. Deswegen gibt es für Mädchenchöre ein ganz anderes und vor allem jüngeres Repertoire, was zwangsweise deutlich weniger Tradition hat als das Knabenchor-Repertoire. Das der Mädchen findet also eher in der Gegenwart statt. Daher ist es eine spannende Sache, wie der Windsbacher Mädchenchor die Chorszene prägen wird. Kurz gesagt: Der Knabenchor lässt letztendlich eine musikalische Tradition lebendig bleiben und entwickelt sie gleichsam weiter; der Mädchenchor geht aufgrund der anderen historischen Ausgangslage andere Wege. Natürlich wird es pädagogisch ein neues Lebensgefühl hier auf dem Campus geben, wenn Jungs und Mädchen gemeinsam hier leben. Für den Anfang haben wir für die Mädchen eines unserer schönsten Häuser reserviert, die „Villa Grün“, ein lichtdurchflutetes, modernes Gebäude. Im ersten Jahr, wenn die Gruppe der Mädchen noch eine kleinere sein wird, soll sich eine Gruppe formen, die die Mädchen als Chorgemeinschaft zusammenwachsen lässt. Für die Zukunft haben wir verschiedene Konzepte erarbeitet und werden sehen, welches sich am besten eignet. Wir wollen dabei auf jeden Fall ein Stück Flexibilität und Praxisnähe behalten. Es ist noch nicht alles im Stein gemeißelt.
Wird es denn zwei vollkommen getrennte Ensembles geben oder sind irgendwann auch gemeinsame Projekte angedacht?
Beide Chöre sollen als eigene Klangkörper ihr eigenes Profil entwickeln und treten im Prinzip eigenständig und unabhängig voneinander auf. Aber natürlich soll es auch Berührungspunkte geben. Gemeinsame Projekte mit Knaben- und Mädchenchor sind auf jeden Fall angedacht, aber punktuell, als Besonderheit. Das eröffnet uns ja insgesamt als Windsbacher Chor-Campus auch nochmal eine größere Repertoire-Vielfalt in puncto Chorsinfonik. Im Zusammenspiel auch mit ehemaligen Windsbachern werden wir irgendwann unsere Chorgrößen so variieren können, dass uns ein Repertoire zur Verfügung steht, das der Knabenchor alleine nicht bieten könnte.
Erste Auftritte und Konzerte des neuen Mädchenchors sind in diesem Stadium wortwörtlich noch Zukunftsmusik. Dennoch gibt es da ja sicherlich schon Planspiele. Wie sehen die aus?
Jetzt kommt erst mal ein erster Jahrgang von Mädchen. Im darauffolgenden Schuljahr kommen dann nochmal neue dazu und das Fundament des Mädchenchores wird tragfähig. Wir wollen uns hier noch nicht festlegen – einerseits wollen wir in Windsbach unserem hohen qualitativen Anspruch gerecht werden und uns daher nicht verfrüht präsentieren, andererseits brauchen die Mädchen Auftritte, an denen sie wachsen und sich als Gemeinschaft entwickeln können. Die öffentliche Präsentation des Windsbacher Mädchenchors als Konzertchor auf einer Bühne mit eigenständigen Programmen, also so wie man den Knabenchor auch erlebt, braucht sicherlich ihre Zeit. Und dennoch können wir ja den Mädchenchor hier nicht einfach nur im Probenraum stattfinden lassen, ohne dass sie sich mal zeigen, das Erarbeitete präsentieren und auch Bühnenerfahrung sammeln. Da wird es sicherlich Zwischenstufen geben.
Wie alt sollten die Mädchen denn sein, wenn sie im Windsbacher Mädchenchor singen wollen?
Interessentinnen im Grundschulalter können sich bei den Klangfängern anmelden und wir sprechen vorrangig Mädchen von der vierten bis zur sechsten Klasse an. Aber es gibt auch schon Anfragen von älteren Mädchen, die gerne kommen wollen. Wir nehmen natürlich auch Quereinsteigerinnen. Die Besetzung soll durchaus altersgemischt sein: vierte bis siebte Klasse, so dass sich die Jahrgänge dann sukzessive auffüllen. Das gibt dem Ganzen ein stabiles Fundament.
Haben Sie denn keine Angst, dass die beiden Chöre irgendwann einmal in Konkurrenz zueinander treten?
Sollte man davor Angst haben? Also ich habe da überhaupt keine Befürchtungen, sondern bin ganz im Gegenteil gespannt, wie sich das gruppendynamisch entwickelt. Wir müssen hier ja langfristig denken: Eine Konkurrenz kann bestenfalls über Jahre wachsen, wenn der Mädchenchor da eine erfolgreiche Karriere hinlegt. Und das freut mich natürlich als Künstlerischer Leiter dieses Windsbacher Chor-Campus‘, weswegen ich eigentlich nicht von Konkurrenz sprechen möchte. Aber natürlich werden sich beide Chöre sehr genau beobachten, weil sie hier ja auch miteinander in Kontakt sein werden. Und das kann aber, glaube ich, beiden Ensembles nur nützen. Also ich sehe dem freudig entgegen.